Loons Gerringer – Salkurning (mit Spoilern!)

Für die nächste Buchvorstellung wollte ich mich eigetlich in die Weiten des Alls begeben. Doch dann kam eine Trilogie dazwischen, über die ich unbedingt reden muss – selbst, wenn es nur Selbstgespräche sind.
Bei den drei Büchern handelt es sich um die Salkurning-Reihe von Loons Gerringer. Der letzte Teil ist im Juli 2018 erschienen und inzwischen gibt es neben den eBooks auch Taschenbücher.
Die Bücher sind eine Mischung aus Fantasy, Steampunk und Roadmovie. Ich hätte das erste eBook Forlorner nicht gekauft, wenn ich nicht schon vorher den Namen Loons Gerringer gehört hätte.

Es war 2006. In meinem Stamm-Bücherforum tauchte ein Link zu einer PDF-Datei auf, die eine gut 600-Seitige FanFiction zu Harry Potter war. Da der finale Band der berühmten Reihe noch nicht abzusehen war, hatte eine Autorin unter dem Pseudonym Loons Gerringer einfach selbst einen letzten Potter-Band geschrieben, Harry Potter und die Goldene Festung. Ich habe dieses Buch fasziniert und begeistert gelesen. Bis heute kann ich die Fan-Fiction-Version und das Original nicht gut auseinanderhalten.

Zuerst veröffentlicht in meinem Telegram-Kanal am 04.10.2018

Die Handlung der Trilogie Salkurning von Loons Gerringer ist mit wenigen Worten erzählt: Vier junge Menschen aus London geraten in eine Parallelwelt und stecken nun im Land Salkurning fest. Fast 3.000 Seiten lang versuchen sie einen Rückweg zu finden. Ob es ihnen gelingt, tja, das werde ich hier nicht verraten.

Die beschriebene Welt ist etwa auf dem Stand des frühen 19. Jahrhunderts. Es gibt schon die Fotografie und sogar ein Auto. Der Rest ist in den Augen des modernen Lesers hoffnungslos primitiv. So empfinden das auch die vier aus London und haben entsprechend Schwierigkeiten, sich zurecht zu finden.

Salkurning ist in den ersten beiden Bänden Forlorner und Tyggboren der heimliche Star der Bücher. Das Land ist so plastisch beschrieben, dass man über weite Strecken das Gefühl hat, dort zu sein. Landschaften, verschiedene Kulturen, die Menschen, alles wirkt authentisch. Loons Gerringer hat beim Erzählen viel Wert auf Details gelegt. Dadurch sind die Bücher natürlich sehr umfangreich geworden. Man muss detaillierte Beschreibungen und eine langsame Handlung mögen, wenn man sich auf diese Reihe einlässt. Die Geschichte fließt scheinbar träge dahin, aber sie ist nie langweilig. Man liest viel über den normalen Alltag bei der Schauspieltruppe, über die Reise nach Norden, später über die hirnverknotende Realität einer Zwischendimension. Dank des Erzähltalents der Autorin ist man mittendrin.

Zuerst veröffentlicht in meinem Telegram-Kanal am 08.10.2018

Die Trilogie Salkurning von Loons Gerringer wird aus der Sicht von vier Personen erzählt. Die da wären: Medizinstudent James Barrett, Möchtegern-Goth Frida, genannt Pix, Kate Walker und Erfinder Dorian Inglewing aus Salkurning.
Die Figuren sind alle sehr verschieden. „Ihre“ Kapitel sind ebenfalls alle unterschiedlich.

James, 20 Jahre alt, ist verschlossen, so sehr, dass er manchmal geradezu miesepetrig wirkt. Er beobachtet, passt sich an, kämpft gegen innere Dämonen. Das ist keine Übertreibung, denn James hat eine unsterbliche Seele, er wird immerzu wiedergeboren. Bevor er nach Salkurning kam, hatte er von seinen früheren Leben keine Ahnung. Als er nun immer wieder fremde Erinnerungen durchlebt, glaubt er den Verstand zu verlieren. Kein Wunder, denn mindestens einer seiner Vorgänger war ein psychopatischer Mörder. Nach und nach akzeptiert er seine Vergangenheit(en) und nutzt sie sogar, um seine Ziele zu erreichen. Gegen Ende des letzten Bandes Halkarna ist James ein Wrack, der nur noch ein Ziel hat, er möchte Pix nach Hause bringen.
Ich musste mir beim Lesen oft sein Alter in Erinnerung rufen, denn James Barrett wirkt die meiste Zeit wesentlich älter als 20 Jahre.

Pix (Frida Sterling) ist eine pummelige, ewig schlechtgelaunte 15jährige, die nur eine Lautstärke kann – LAUT. Zwei Bände lang brüllt sie herum und ist allgemein so nervig, dass man es als Leser kaum aushalten kann. Sie ist in Salkurning gelandet, als sie James und ihrem Mitschüler Carmino gefolgt ist, um sie auszuspionieren. Selbst schuld, möchte man fast sagen. Die meiste Zeit ist sie wirklich schwer zu ertragen. Allmählich lernt der Leser sie aber näher kennen, ihre Vergangenheit, ihre perfekte Kindheit, dann Mobbing in der Schule, das Abrutschen. Plötzlich erkennt man, dass ihre ganze Brüllerei nur ein Schutzschild ist, hinter dem sich die wahre Frida verbirgt. Sie ist eigentlich sehr schutzbedürftig und hat ständig Angst, James könnte sie einfach zurücklassen. Sie hängt sich wie eine Klette an ihn und man kann nicht andres, als mit ihr mitzufiebern. Ein besonderes Verhältnis hat Pix zu dem Erfinder Inglewing, dem ersten Menschen, dem die vier Londoner in Salkurning begegnen. Pix glaubt lange, er könne ihnen helfen.
Sie ist die Person im Buch, die sich am meisten entwickelt. Vom unausstehlichen Teenager bis zur treibenden Kraft hinter der Suche nach einem Rückweg.

Dorian Inglewing hat sich in ganz Salkurning einen Namen mit einer besonderen Erfindung gemacht: mit einem Klo. Die sogenannten Inglewinger beinhalten unzählige Käfer, die menschliche Ausscheidungen zu wertvollem Kompost verarbeiten. Die Erfindung ist nützlich, leider aber auch sehr peinlich. Besonders seine Ehefrau Merelle kann mit so einem zweifelhaften Ruhm nicht umgehen.
Über Dorian erfährt man im Laufe der Trilogie vermutlich am meisten und durch ihn auch über Salkurning selbst.
Er erfindet seit seiner Kindheit Dinge, sein Traum ist es jedoch, ein Flugschiff zu bauen. Zunächst aber hat er sich ein Auto gebastelt, mit dem er als Reparateur durchs Land reist. Seit der Trennung von seiner Frau lebt er allein. Wenn er keine kaputten Uhrwerke etc. repariert, widmet er sich seiner Fluidum-Forschung.
Die Begegnung mit vier Gestrandeten aus Gorth Britaine stellt sein geordnetes Reiseleben auf den Kopf. Zum ersten Mal sieht er seine Forschungen bestätigt, doch niemanden scheint es zu interessieren. Leider kann er nichts tun, um seine neuen Freunde wieder nach London zurück zu schicken.
Als Kate ihn ein Stück weit auf seinen Reisen begleitet, entwickelt er Gefühle für sie. Manchmal glaubt er, sie zu lieben, dann hasst er sie geradezu, manchmal versucht er sie zu vergessen. Er kann mit einer so ruhelosen Frau wie Kate Walker nicht umgehen. Ich habe bis zum Schluss gerätselt, ob die beiden sich nun kriegen oder nicht.

Kate Walker, eigentlich Kate Unwin, ist die rastloseste Person im Buch. Man erfährt vergleichsweise wenig über sie, aber das Wenige reicht aus, um ihre Kapitel zu etwas Besonderem zu machen. Ich fand Kates Gedanken wunderbar poetisch und bin ihr gern gefolgt. Sie leidet unter starkem Fernweh und ist unfähig, einfach stehen zu bleiben. Obwohl Dorian ihr nicht gleichgültig ist, kann sie nicht anders, als ihn zu verlassen, um das nächste Abenteuer zu suchen. Für sie ist Salkurning ein Glücksfall. Sie liebt es, Neues zu entdecken und Salkurning ist voller Dinge, die es zu erforschen gilt. Sie ist ehrlich froh, in diese Welt geraten zu sein.

Das sind die vier Hauptfiguren der Trilogie. Es gibt einige interessante Nebenfiguren, um die geht es dann im nächsten Teil.

Zuerst veröffentlicht in meinem TelegramKanal am 09.10.2018

Die Nebenfiguren

Jede Nebenfigur in Salkurning ist authentisch. Dank des Schreibtalents der Autorin fällt es dem Leser leicht, sich die Figuren vorzustellen und sie auf ihrem Weg durch die Geschichte zu begleiten.

Wir sehen diese Personen nur durch die Augen der vier Hauptcharaktere. Da diese sehr verschieden sind, nehmen sie auch die Menschen in ihrer Umgebung sehr unterschiedlich wahr.
Der wichtigste Nebencharakter der Bücher ist wohl Firn Marrin. James sieht in ihm einen Freund, der mal abweisend und mal arrogant und manchmal verloren wirkt. In Pix‘ Welt ist Firn aber nur „der Killer“, diese beiden Figuren wechseln im Laufe der Handlung kaum je ein Wort. Entsprechend undurchschaubar kommt Firn für den Leser rüber. Bis zum Schluss fragt man sich, welche Pläne er verfolgt, ob man sich überhaupt auf ihn verlassen kann. Ob auch nur ein Wort von ihm wahr ist. Ob man ihm trauen kann. Ich fand diese Figur großartig gezeichnet. Firn ist weder schwarz noch weiß, ihm ist die Welt meistens ziemlich egal, aber für einen Freund würde er fast alles tun.
Von den anderen Nebenfiguren nimmt keine soviel Raum in den Büchern ein wie Firn, aber auch kurze Textpassagen genügen, um einer Figur Leben einzuhauchen.

Da sind z. B. die Montagus – der Chef, der die ganze Truppe zusammenhält, John, den kaum etwas aus der Ruhe bringen kann, die total unterschiedlichen Brüder Horgest, der Mann fürs Grobe, und Halfast, der wissensdurstige Geiger, Juniper, der Carminos bester Freund wird.

Die Frauen haben in Salkurning wenig zu sagen, aber die Bücher geben auch ihnen eine Stimme. Die plappernde Nella, die sich ein wenig in James verguckt, Odette, die Wahrsagerin der Truppe, die ihre geistig beeinträchtigte Tochter wie ihren Augapfel hütet, die Seilartistin Haminta, die von Größerem träumt, und natürlich Jakobe, die Hexe, die jeden in den Wahnsinn treiben kann mit ihrer Art – sie alle verlässt man mit Bedauern, wenn die Bücher ausgelesen sind (na ja, vielleicht nicht gerade Jakobe).

Zuerst veröffentlich in meinem Telegram-Kanal am 28.10.2018

Salkurning von Loons Gerringer ist eine wirklich in jeder Hinsicht beeindruckende Reihe. Die Autorin erzählt die Geschichte gemächlich und detailreich, was sich natürlich auf den Umfang der Bücher auswirkt:
Forlorner. Salkurning 1 hat 854 Seiten
Tyggboren. Salkurning 2 hat 890 Seiten
Halkarna. Salkurning 3 hat 1042 Seiten
Erschienen sind die Bücher zunächst als eBook, Teil 1 und 2 bereits 2013, der 3. Band kam erst im Sommer 2018 raus.
Nahezu zeitgleich mit dem letzten Band kamen auch die Taschenbücher in den Handel. Da der VK-Preis für ein Taschenbuch dieses Umfangs viel zu hoch wäre, wurden die Bücher geteilt. D. h. es gibt jetzt Forlorner 1 & 2 und entsprechend auch die beiden anderen Bücher. Insgesamt sind es also 6 Bände geworden. Die geteilten Romanversionen gibt es auch als eBooks.
Zusätzlich zur Romanreihe ist 2014 eine Kurzgeschichte mit ca. 22 Seiten erschienen. Die Bestie im Grün spielt zeitlich nach Tyggboren und handelt von der Suche nach James Barrett. Wer nicht weiß, ob er den Büchern eine Chance geben soll oder nicht, könnte es mit dieser Kurzgeschichte versuchen. Danach wird er oder sie weiterlesen wollen, garantiert!

Für die Salkurning-Trilogie sollte man sich Zeit nehmen. Sie ist nichts für Thriller-Fans, sie ist für Lese-Genießer.

Zuerst veröffentlicht in meinem Telegram-Kanal am 27.11.2018

Für alle, die neugierig geworden sind, hier ein KLEINER, GANZ UNAUFFÄLLIGER HINWEIS: Im Forum von Literaturschock findet ab dem 06.09.2019 eine Leserunde mit der Autorin statt. Mitleser sind willkommen!