Das Damengambit – Walter Tevis

In den 60er Jahren:
Die 8jährige Beth Harmon verliert bei einem Unfall ihre Mutter und muss ins Waisenhaus. Dort verabreicht man den Kindern Beruhigungsmittel, schikaniert sie und überhaupt, man lässt sie keine Kinder sein. Im Waisenhaus ist es außerdem schwer, Freundschaften zu schließen. Beth, auch früher nicht gerade das lebenslustigste Kind der Welt, zieht sich in sich zurück. Eines Tages beobachtet sie den Hausmeister beim Schachspiel – und ist sofort Feuer und Flamme.

Das Schachspiel ist eines der ältesten und interessantesten Brettspiele der Welt und längst nicht jedermanns Sache. Obwohl Schach in diesem Buch eine große Rolle spielt, kann man es auch lesen, wenn man sich nicht für das Spiel interessiert. Ich selbst weiß, wie es gespielt wird, aber da hört es auch schon auf. Ob die ganzen im Buch erwähnten Züge auf die beschriebene Art möglich sind, kann ich also nicht beurteilen. Es tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Die Turniere lesen sich oft wie Kampfszenen, Figuren werden hin und her geschoben und geopfert. Die Schachspieler sind wie Generäle, die ihre Truppen zum Sieg führen wollen, und alle Züge schon vorab im Kopf durchrechnen müssen.

Die Hauptfigur Beth ist ein ungewöhnliches Mädchen, später eine junge Frau, die sich nur lebendig fühlt, wenn sie spielt. Die Siege sind ihr Aphrodisiakum.
Ihr zu folgen, die Entwicklung zu beobachten, ist nicht nur spannend, sondern auch äußerst faszinierend. Ihre ärgsten Gegner sind nicht die Schachspielgegner, sondern die Tabletten und der Alkohol. Sie wurde bereits im Waisenhaus tablettenabhängig (gemacht) und als sie nicht mehr an Tabletten herankam, griff sie zum Alkohol. Als Leser fiebert man ständig mit, ob sie nun das nächste Spiel verliert, weil sie sich am Vortag wieder hat volllaufen lassen, oder gewinnt.
Ihr Kampf gegen die Sucht ist ebenso zum Nägelkauen spannend beschrieben wie die Schachturniere.

Gegen die Hauptfigur verblassen alle anderen Figuren. Sie ist halt die Königin, die Dame auf dem Feld. Die anderen, z. B. Beth‘ Freundin oder ihre Liebhaber, haben zwar wichtige Auftritte, aber im Grunde will man nur wissen, wie es mit Beth weitergeht.

Seit der Erstveröffentlichung dieses Beitrags habe ich auch die Netflix-Serie gesehen. Sie hat mich genauso begeistert wie das Buch.

Fazit: Definitiv nicht nur für Schachfans.

 

veröffentlicht am 18.12.2020 im Telegramkanal Eulenalltag